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BAG, Ur­teil vom 18.03.2009, 10 AZR 338/08

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Teilzeit, Teilzeit: Benachteiligungsverbot, Gleichbehandlung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 338/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.03.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Halle (Saale), Urteil vom 01.03.2007, 2 Ca 2377/06 Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 30.01.2008, 5 Sa 185/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 338/08
5 Sa 185/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Sach­sen-An­halt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

18. März 2009

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 18. März 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt,
 


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den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Si­mon und Ohl für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt vom 30. Ja­nu­ar 2008 - 5 Sa 185/07 - auf­ge­ho­ben.

2. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Hal­le vom 1. März 2007 - 2 Ca 2377/06 - ab­geändert.


Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 313,32 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10. No­vem­ber 2006 zu zah­len.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen. Von den übri­gen Kos­ten des Rechts­streits hat die Be­klag­te 86 % und die Kläge­rin 14 % zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!


Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten noch darüber, ob der Kläge­rin für die Mo­na­te No­vem­ber 2005 bis März 2006 so­wie Mai 2006 ei­ne ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge in rech­ne­risch un­strei­ti­ger Höhe von mo­nat­lich 52,22 Eu­ro brut­to zu­steht.


Die Kläge­rin ist seit 1995 im Markt der Be­klag­ten in H als Verkäufe­r­in/Kas­sie­re­rin tätig. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det der Ta­rif­ver­trag über Gehälter, Löhne und Aus­bil­dungs­vergütun­gen für den Ein­zel­han­del im Bun­des­land Sach­sen-An­halt (ETV) An­wen­dung. Im rück­wir­kend zum 1. Ju­li 2005 in Kraft ge­tre­te­nen ETV vom 3. Fe­bru­ar 2006 heißt es:


㤠2
Ge­halts­re­ge­lung


A. All­ge­mei­nes


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...


e) Funk­ti­ons­zu­la­gen

1. Al­lein­verkäufer­In­nen in Zweig­geschäften, die nicht ständig al­lein tätig sind, er­hal­ten ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 8 % ih­res Ta­rif­ge­hal­tes.

2. Te­le­fo­nis­ten/Te­le­fo­nis­tin­nen mit an­de­ren, je­doch nicht über­wie­gen­den Tätig­kei­ten nach Merk­ma­len der Grup­pe K 3 er­hal­ten ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 8 % ih­res Ta­rif­ge­hal­tes.

3. SB-Kas­sie­rerIn­nen er­hal­ten in den Mo­na­ten, in de­nen sie auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen (check-out) tätig sind, ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 4 % ih­res Ta­rif­ge­hal­tes.

...“

Die Kläge­rin war im An­spruchs­zeit­raum teil­zeit­beschäftigt mit ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit von 110 St­un­den. Die re­gelmäßige ta­rif­li­che wöchent­li­che Ar­beits­zeit be­trug 38 St­un­den. Die Be­klag­te zahl­te bis ein­sch­ließlich Au­gust 2005 al­len in ih­rem Markt in H täti­gen Kas­sen­kräften mit ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit von mehr als 103,9 St­un­den ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge iHv. 4 % ih­res Ge­halts. In ei­nem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 8. Sep­tem­ber 2005 heißt es zur Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge:

„Funk­ti­ons­zu­la­ge laut Ta­rif­ver­trag des Ein­zel­han­dels Sach­sen-An­halt

Lie­be Mit­ar­bei­ter des Kas­sen­be­rei­ches,


wie be­reits in den Mit­ar­bei­ter­be­spre­chun­gen im Mo­nat Au­gust ge­nannt, kann die Kas­sier­zu­la­ge ab Sep­tem­ber nur noch ent­spre­chend der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ge­zahlt wer­den.

Das heißt:

SB-Kas­sie­re­rin­nen er­hal­ten in den Mo­na­ten, in de­nen sie auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen (check-out) tätig sind, ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 4 % des Ta­rif­ge­hal­tes.


Dies be­deu­tet, dass im Mo­nat rei­ne Ar­beits­stun­den an der


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Kas­se von 103,9 St­un­den ge­leis­tet wer­den müssen.


Be­gin­nend ab Sep­tem­ber wer­den wir die­se Zu­la­ge nur noch an die be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter zah­len.

...“

Auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung war die Kläge­rin im No­vem­ber 2005 74,53 St­un­den an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig, im De­zem­ber 2005 77,25 St­un­den, im Ja­nu­ar 2006 78,22 St­un­den, im Fe­bru­ar 2006 99,20 St­un­den, im März 2006 93,53 St­un­den und im Mai 2006 71,09 St­un­den. Die Be­klag­te zahl­te ihr für die­se Mo­na­te die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge nicht.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die in § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV ge­nann­te Vor­aus­set­zung ei­ner Tätig­keit von mehr als 24 St­un­den im Wo­chen­durch­schnitt an ei­ner Aus­gangs­kas­se für den An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge gel­te nur für Voll­zeit­beschäftig­te. Die­se müss­ten so­mit mo­nat­lich mehr als 103,9 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se ar­bei­ten, um die Zu­la­ge zu er­hal­ten. Ei­ner Teil­zeit­beschäftig­ten mit ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit von 110 St­un­den ste­he die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge be­reits dann zu, wenn sie mo­nat­lich min­des­tens 70 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sei. Ein an­de­res Verständ­nis würde Teil­zeit­beschäftig­te bei der Zah­lung des Ar­beits­ent­gelts be­nach­tei­li­gen und ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ver­s­toßen.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 313,32 Eu­ro brut­to zu zah­len nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10. No­vem­ber 2006.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der An­spruch auf die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge set­ze auch bei Teil­zeit­beschäftig­ten ei­ne Tätig­keit an ei­ner Aus­gangs­kas­se von 103,9 St­un­den im Mo­nat vor­aus. Dies ha­be sie bis Au­gust 2005 ver­kannt und irrtümlich an-
 


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ge­nom­men, sie sei bei ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit von mehr als 103,9 St­un­den zur Zah­lung der Zu­la­ge ver­pflich­tet. Es lie­ge kei­ne rechts­wid­ri­ge Un­gleich­be­hand­lung von Teil­zeit- und Voll­zeit­beschäftig­ten vor. Auch Teil­zeit­beschäftig­te hätten An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge, wenn sie mehr als 103,9 Ar­beits­stun­den im Mo­nat an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig ge­we­sen sei­en.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­ren Kla­ge­an­spruch wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin hat Er­folg. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Der Kläge­rin steht die be­an­spruch­te ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge zu.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV knüpfe den An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge auch bei ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung an die Tätig­keit an ei­ner Aus­gangs­kas­se von im Wo­chen-durch­schnitt mehr als 24 St­un­den. Hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Teil­zeit­beschäftig­ten die Zu­la­ge nach Maßga­be ih­rer (an­tei­li­gen) Wo­chen- bzw. Mo­nats­ar­beits­zeit gewähren wol­len, hätte die Auf­nah­me des (sta­ti­schen) Schwel­len­wer­tes von 24 Wo­chen­stun­den in der Ta­rif­re­ge­lung kei­nen Sinn. Die ta­rif­li­che Re­ge­lung sei mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ver­ein­bar. Die Kläge­rin wer­de als Teil­zeit­beschäftig­te nicht schlech­ter be­han­delt als ei­ne ver­gleich­ba­re Voll­zeit­beschäftig­te. Sie er­hal­te die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge, wenn sie wie ei­ne Voll­zeit­beschäftig­te im Mo­nat im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sei. Auch ei­ne Voll­zeit­beschäftig­te ha­be kei­nen An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge, wenn sie die­se Vor­aus­set­zung nicht erfülle.
 


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II. Die­se Ausführun­gen hal­ten den An­grif­fen der Re­vi­si­on nicht stand. Die Kläge­rin hat für die Mo­na­te No­vem­ber 2005 bis März 2006 so­wie Mai 2006 bei ge­set­zes­kon­for­mer Aus­le­gung des § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV An­spruch auf die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge iHv. 4 % ih­res Ta­rif­ge­halts und so­mit für sechs Mo­na­te auf 313,32 Eu­ro brut­to. Über die Höhe der mo­nat­li­chen Funk­ti­ons­zu­la­ge von 52,22 Eu­ro brut­to be­steht kein Streit. Nach den von der Be­klag­ten nicht mit Ge­genrügen an­ge­grif­fe­nen und da­mit bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts war die Kläge­rin im No­vem­ber 2005 74,53 St­un­den, im De­zem­ber 2005 77,25 St­un­den, im Ja­nu­ar 2006 78,22 St­un­den, im Fe­bru­ar 2006 99,20 St­un­den, im März 2006 93,53 St­un­den und im Mai 2006 71,09 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig. Sie wur­de in den Mo­na­ten des An­spruchs­zeit­raums so­mit je­weils zu mehr als 63,16 % ih­rer Ar­beits­zeit und da­mit zu mehr als 24/38 ih­rer Ar­beits­zeit als SB-Kas­sie­re­rin an ei­ner Aus­gangs­kas­se ein­ge­setzt. Der An­teil der Tätig­keit der Kläge­rin an ei­ner Aus­gangs­kas­se über­traf da­mit den bei ei­ner voll­zeit­beschäftig­ten SB-Kas­sie­re­rin für den An­spruch auf die Zu­la­ge er­for­der­li­chen An­teil.


1. Al­ler­dings zwingt der Wort­laut der von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV ge­trof­fe­nen Re­ge­lung nicht zu der An­nah­me, dass Teil­zeit­beschäftig­ten schon dann die Funk­ti­ons­zu­la­ge zu­steht, wenn sie zu mehr als 24/38 ih­rer Ar­beits­zeit im Wo­chen­durch­schnitt auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sind. Die Ta­rif­vor­schrift spricht von ei­ner Tätig­keit von „im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen“. Die­se For­mu­lie­rung lässt die Aus­le­gung zu, dass für den An­spruch auf die Zu­la­ge das St­un­den­maß von 24 St­un­den so­wohl von Voll­zeit-beschäftig­ten als auch von Teil­zeit­beschäftig­ten er­reicht wer­den muss. Der Wort­laut der Ta­rif­vor­schrift hin­dert je­doch auch die Aus­le­gung nicht, dass der An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge ei­ne Tätig­keit an ei­ner Aus­gangs­kas­se von im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den nur bei ei­ner Voll­zeit­beschäfti­gung vor­aus­setzt und bei ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung ein ge­rin­ge­res St­un­den­maß genügt.
 


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2. Für die­se Aus­le­gung des § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV spricht, dass ei­ne ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge ei­ne zusätz­li­che Vergütung für ei­ne be­stimm­te Tätig­keit dar­stellt und kei­ne Er­schwer­nis­zu­la­ge ist (BAG 17. April 1996 - 10 AZR 617/95 - AP BAT §§ 22, 23 Zu­la­gen Nr. 18 = Ez­BAT BAT N §§ 22, 23 Funk­ti­ons­zu­la­ge Nr. 6). Sie ist da­her eben­so wie die Grund­vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG an Teil­zeit­beschäftig­te in ei­ner der ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit ent­spre­chen­den Höhe zu zah­len. Ei­ne Gleich­be­hand­lung teil­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer beim Ar­beits­ent­gelt oder bei an­de­ren teil­ba­ren geld­wer­ten Leis­tun­gen nach dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ge­setz­lich nor­mier­ten sog. Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz schließt von vorn­her­ein ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Teil­zeit­ar­beit aus (BAG 24. Sep­tem­ber 2008 - 10 AZR 634/07 - AP TVöD § 24 Nr. 1 = EzA Tz­B­fG § 4 Nr. 15). Ei­ne nicht durch sach­li­che Gründe ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gung von Teil­zeit­beschäftig­ten ge­genüber Voll­zeit­beschäftig­ten läge aber vor, wenn § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV so aus­ge­legt würde, dass auch Teil­zeit­beschäftig­te für den An­spruch auf die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge stets im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sein müss­ten. Teil­zeit­beschäftig­te mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von nicht mehr als 24 St­un­den hätten bei die­ser Aus­le­gung der Ta­rif­vor­schrift selbst dann kei­nen An­spruch auf die ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 4 % ih­res Ta­rif­ge­halts, wenn sie auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung aus­sch­ließlich an Aus­gangs­kas­sen tätig sind, während ei­nem Voll­zeit­beschäftig­ten die zusätz­li­che Vergütung be­reits dann zustünde, wenn er zu mehr als 24/38 sei­ner Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se ein­ge­setzt wird. Ei­ne sol­che un­ter­schied­li­che Be­hand­lung Teil­zeit- und Voll­zeit­beschäftig­ter stell­te ei­ne Ab­wei­chung vom Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz zum Nach­teil des Teil­zeit­beschäftig­ten dar, oh­ne dass dafür ein sach­li­cher Grund vor­liegt. Die Ta­rif­vor­schrift ver­stieße da­mit ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG.


3. Al­ler­dings steht es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en frei, den An­spruch auf ei­ne ta­rif­li­che Zu­la­ge an Er­schwer­nis­se zu bin­den und für de­ren Vor­lie­gen ei­ne Min­dest­zahl von St­un­den fest­zu­le­gen. Dies kann be­wir­ken, dass ein Teil­zeit-beschäftig­ter auf­grund sei­ner ver­min­der­ten Ar­beits­zeit das für den An­spruch
 


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auf die Er­schwer­nis­zu­la­ge er­for­der­li­che St­un­den­maß nicht er­rei­chen kann. Lie­gen die äußeren Umstände, die nach der Vor­stel­lung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Er­schwer­nis für die Tätig­keit be­gründen, nicht im er­for­der­li­chen zeit­li­chen Um­fang vor, wird ein Teil­zeit­beschäftig­ter re­gelmäßig nicht oh­ne sach­li­chen Grund beim Ar­beits­ent­gelt ge­genüber ei­nem Voll­l­zeit­beschäftig­ten un­ter­schied­lich be­han­delt, wenn er die Er­schwer­nis­zu­la­ge nicht erhält. Bei der in § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV ge­re­gel­ten Zu­la­ge han­delt es sich je­doch nicht um ei­ne Er­schwer­nis­zu­la­ge, son­dern um ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge.

a) Das folgt be­reits aus der Über­schrift zu § 2 Ab­schn. A Buchst. e ETV „Funk­ti­ons­zu­la­gen“ und dem Wort­laut in Ziff. 3 die­ser Vor­schrift. Schon nach dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch und auch nach dem der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wird ei­ne Zu­la­ge, die ei­ne be­son­de­re Er­schwer­nis ab­gel­ten soll, re­gelmäßig nicht als Funk­ti­ons­zu­la­ge be­zeich­net (BAG 17. April 1996 - 10 AZR 617/95 - AP BAT §§ 22, 23 Zu­la­gen Nr. 18 = Ez­BAT BAT N §§ 22, 23 Funk­ti­ons­zu­la­ge Nr. 6). Zwar kann ei­ne be­stimm­te Funk­ti­on auch be­inhal­ten, dass die da­bei zu ver­rich­ten­de Ar­beit „schwe­rer“ im Sin­ne von schwie­ri­ger ist; das stellt je­doch kei­ne Er­schwer­nis der Ar­beit dar, für die ei­ne Er­schwer­nis­zu­la­ge in Be­tracht käme (BAG 17. April 1996 - 10 AZR 617/95 - aaO; vgl. 11. Ju­ni 1997 - 10 AZR 784/96 - AP BMT-G II § 24 Nr. 2). Ei­ne Er­schwer­nis wird viel­mehr durch äußere Umstände be­gründet, un­ter de­nen die Ar­beit zu leis­ten ist. Ei­ne ta­rif­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge ist dem­ge­genüber Ar­beits­ent­gelt für die Ver­rich­tung der Ar­beit in ei­ner be­stimm­ten Funk­ti­on. Es han­delt sich re­gelmäßig um ei­ne Vergütung für ei­ne her­aus­ge­ho­be­ne Tätig­keit, die den Tätig­keits­merk­ma­len der nächsthöhe­ren Vergütungs­grup­pe noch nicht ent­spricht, mit der Grund­vergütung der in­ne­ge­hab­ten Vergütungs­grup­pe nach dem Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en je­doch nicht an­ge­mes­sen be­zahlt ist.

b) Außer dem ein­deu­ti­gen Wort­laut des § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 3 ETV spricht auch die Höhe der Zu­la­ge für ei­ne Funk­ti­ons- und ge­gen ei­ne Er­schwer­nis­zu­la­ge. Die Höhe der Zu­la­ge beträgt 4 % des Ta­rif­ge­halts. Dies be­wirkt, dass Voll­zeit- und Teil­zeit­beschäftig­ten auch dann die ta­rif­li­che Zu­la­ge in un­ter­schied­li­cher Höhe zu­steht, wenn bei­de im Wo­chen­durch­schnitt mehr als


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24 St­un­den auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sind. Da die Höhe des Ta­rif­ge­halts auch von den zurück­ge­leg­ten Be­rufs­jah­ren abhängt, können auch Voll­zeit- oder Teil­zeit­beschäftig­te mit der­sel­ben wöchent­li­chen Ar­beits­zeit nicht stets die Zu­la­ge in der­sel­ben Höhe be­an­spru­chen, wenn sie die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen erfüllen, je­doch un­ter­schied­lich vie­le Be­rufs­jah­re zurück­ge­legt ha­ben. Die­se Abhängig­keit der Höhe der Zu­la­ge vom je­wei­li­gen Ta­rif­ge­halt wäre nicht verständ­lich, wenn die Zu­la­ge ei­ne Er­schwer­nis ab­gel­ten soll­te. Die mit ei­ner mehr als 24-stündi­gen Tätig­keit an ei­ner Aus­gangs­kas­se ver­bun­de­nen Be­las­tun­gen sind für Voll­zeit- und Teil­zeit­beschäftig­te un­abhängig von den zurück­ge­leg­ten Be­rufs­jah­ren gleich groß, wenn sie zB im Wo­chen­durch­schnitt auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung 25 St­un­den an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sind, so dass ei­ne Abhängig­keit der Höhe der Zu­la­ge von dem je­wei­li­gen Ta­rif­ge­halt nicht ge­recht­fer­tigt wäre (vgl. BAG 11. De­zem­ber 1996 - 10 AZR 359/96 - AP BAT §§ 22, 23 Zu­la­gen Nr. 19 = EzA BGB § 611 Teil­zeit­ar­beit Nr. 10).

c) Der ta­rif­li­che Ge­samt­zu­sam­men­hang bestätigt das Aus­le­gungs­er­geb­nis. Auch bei der un­ter § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 1 ETV ge­nann­ten Zu­la­ge han­delt es sich um Ar­beits­ent­gelt für die Ver­rich­tung von Ar­beit in ei­ner be­stimm­ten Funk­ti­on. Nach die­ser Ta­rif­vor­schrift er­hal­ten „Al­lein­verkäufer­In­nen in Zweig­geschäften, die nicht ständig al­lein tätig sind“, ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 8 % ih­res Ta­rif­ge­halts. § 2 Ab­schn. A Buchst. e Ziff. 2 ETV be­stimmt, dass Te­le­fo­nis­ten/Te­le­fo­nis­tin­nen mit an­de­ren, je­doch nicht über­wie­gen­den Tätig­kei­ten nach Merk­ma­len der Grup­pe K 3 ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 8 % des Ta­rif­ge­halts er­hal­ten. Dar­aus wird deut­lich, dass die in § 2 Ab­schn. A Buchst. e ETV ge­re­gel­ten Zu­la­gen Vergütun­gen für her­aus­ge­ho­be­ne Tätig­kei­ten dar-stel­len, die zwar den Merk­ma­len der nächsthöhe­ren Vergütungs­grup­pe noch nicht ent­spre­chen, die aber nach Auf­fas­sung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit der Grund­vergütung der in­ne­ge­hab­ten Vergütungs­grup­pe nicht an­ge­mes­sen be­zahlt sind.
 


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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Kläge­rin hat die Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt bezüglich der für April 2006 be­an­spruch­ten Funk­ti­ons­zu­la­ge zurück­ge­nom­men.

Dr. Frei­tag 

Mar­quardt 

Brühler

Kay Ohl 

Si­mon

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